Dienstag, 23. Februar 2016

Wer's glaubt ...

... wird seelig. Oder selig? Zwanzig mal fünf ist hundertzwanzig. Oder hundert? Ist da Gefahr in Verzug? Ist sie im Verzug?



Wie, wo, was?

Sie ist nicht ohne Tücken, die deutsche Orthographie, ganz unabhängig von Reformen, von Reformen der Reformen. Auch die Semantik einzelner Begriffe ist gar manches Mal eine spannende Herausforderung. Ich habe mir weitere Beispiele herausgegriffen, die ich in Online-Medien, in Kommentaren fand.

Seelig oder selig?

Das ist armseelig, ist hier und da zu lesen. Jemand sei leutseelig, Glückseeligkeit erstrebenswert. Mit der Seele hat das Adjektiv allerdings nichts zu tun. Es ist germanischen Ursprungs (sālī) und bedeutet so viel wie 'glücklich'. Heute findet es vielfach Verwendung, um Verfasstheiten oder Einstellungen zu beschreiben. Eine Angelegenheit ist mühselig, der Nachbar redselig, ein Pechvogel unglückselig. 'Seelig' ist einzig ein Dorf im Landkreis Bayreuth.

Lingua-Mathematik

Der Ölpreis liegt wieder bei 100 Dollar, wird gemeldet. Im letzten Jahr waren es noch 20 Dollar. Der Preis sei somit um das 5-Fache gestiegen, lesen wir. Tatsächlich? In Wirklichkeit ist er auf das 5-Fache gestiegen. Steigt etwas um das x-Fache, so wird der Faktor zum Ursprungswert addiert. Im Beispiel wäre das Ergebnis das 6-Fache, der Preis läge bei 120 Dollar.

Gefahr im/in Verzug

Häufiger noch in der gesprochenen als in der gedruckten Sprache treffen wir auf die Wendung, es sei Gefahr in Verzug. Warum dieses 'in', so fragte ich mich angelegentlich. Assoziativ verbinden wir mit dieser Wendung offenbar eher etwas wie Aufzug - Gefahr zieht auf - als Verzug. Letzterer gibt dem Ausdruck aber seine wirkliche Bedeutung - und den Dativ. Gefahr ist im Verzug: Wird nicht rechtzeitig gehandelt, so droht Gefahr.

Rettet das 'ß'

In der alten Rechtschreibung fanden wir es noch häufig, das 'ß'. In der neuen, in der vereinfachten (?) wird es nur noch an zwei Stellen verwendet: nach langen Vokalen - Straße, Muße, Maß - und nach sogenannten Diphthongen (Zwielauten), die gleichermaßen lang gesprochen werden. Siehe und höre Strauß, Äußerungen, beißen etc. Hieß es einst, kein Wort ende auf 'ss', so ist es heute andersherum: der Kuß wird zum Kuss, der Biß zum Biss.

Beugung von Lehnwörtern, Anglizismen, Schein-Anglizismen

Unabhängig davon, wie der/die Einzelne zum Import/zum Kreieren vieler gerade englischer Begriffe steht - ich begrüße sie als Zeichen von Lebendigkeit der Sprachen -, gilt zumindest, dass diesen deutsche Morpheme angehängt, dass sie also nach deutscher Grammatik gebeugt werden. So schreibt man im Deutschen nicht Handies, sondern Handys, nicht Ladies, sondern Ladys. Für Verben gilt dasselbe: wie bei gemanagt schreiben wir gecheckt, downgeloadet, gecrasht oder retweetet. Es geht bis zur Vokal-Verschiebung - so ist ein Beitrag nicht gesponsort ('ed' ist hier schon durch die deutsche Endung 't' ersetzt), er ist gesponsert. Eine Endung 'ort' existiert im Deutschen nicht.

Ausblick

Im nächsten Salon möchte ich Ihnen berichten von einem Frisör-Besuch. Von Spagetti, einem Elefanten ... und Tunfisch.
      

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